Flächenrecycling am Beispiel des "Business Square" in Kaarst

Flächenrecycling am Beispiel des "Business Square" in Kaarst
© Wirtschaftsförderung Kaarst

Für den Fortbestand und die Weiterentwicklung der Wirtschaft am Mittleren Niederrhein ist das Vorhandensein ausreichender Gewerbe- und Industriegebietsflächen unabdingbar. Vielerorts herrscht jedoch ein Mangel an verfügbaren Flächen für die Ansiedlung neuer und die Erweiterung ansässiger Unternehmen vor. Verschärft wird diese Problematik durch die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie, nach der die Flächenneuinanspruchnahme bis zum Jahr 2030 auf unter 30 Hektar pro Tag verringert werden soll. Insofern wird es zukünftig immer wichtiger, vorhandene Brachflächen oder mindergenutzte Flächen einer neuen Nutzung zuzuführen.

Eine Herangehensweise, die in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle spielt, ist das Flächenrecycling. Das Flächenrecycling bzw. die Revitalisierung von Brachflächen stellt ein wichtiges Instrument im Rahmen der Reduzierung von Flächenneuinanspruchnahmen dar.

Was bedeutet Flächenrecycling?

Beim Flächenrecy­cling werden Flächen, die ihre bisherige Funktion und Nutzung verloren haben – wie stillgelegte Industrie- oder Gewer­begrundstücke, Militärliegenschaften, Ver­kehrsflächen – mittels planerischer, umwelttechnischer und wirtschaftspo­litischer Maßnahmen einer neuen Nut­zung zugeführt (DIHK 2018). Mit dem Flächenrecycling sind zusätzliche Aufgaben verbunden, die bei der Neuinanspruchnahme von Freiraumflächen nicht anfallen, beispielsweise Rückbauarbeiten und Altlastensanierungen.

Bei dem Flächenrecycling handelt es sich um einen umfassenden und komplexen Prozess, an dem viele unterschiedliche Akteure, mit unterschiedlichen Interessen beteiligt sein können. Dazu zählen unter anderem die Investoren und Flächeneigentümer, Stadt- und Raumplaner, sowie die Politik.

Lohnt sich Flächenrecycling aus wirtschaftlicher Sicht?

Die Frage, ob sich das Flächenrecycling von Brachflächen wirtschaftlich lohnt bzw. rentabel ist, steht in Abhängigkeit zu den Kosten für die Wiedernutzbarmachung der Fläche und den dadurch erzielten Erträgen. Dies kann je nach Standort und den dort vorherrschenden Immobilien- und Bodenpreisen sehr unterschiedlich sein.

Beispielsweise sind durch Brachflächen in florierenden und boomenden Regionen hohe Erträge durch das Flächenrecycling zu erwarten, die die Kosten für die Wiedernutzbarmachung der Fläche übersteigen. Bei diesen Brachflächen spricht man von den sogenannten „Selbstläufern“. Diese Flächen sind insbesondere für private Investoren interessant und bedürfen in der Regel keiner zusätzlichen Hilfestellung, beispielsweise in Form von Fördermitteln.

Daneben lassen sich auch Brachflächen identifizieren, bei denen die wirtschaftliche Rentabilität aufgrund gewisser finanzieller und rechtlicher Unsicherheiten nicht garantiert werden kann. Dies sind die sogenannten „Flächen mit Entwicklungspotenzialen“. Bei diesen Flächen bieten sich in der Regel Kooperationsformen zwischen privaten Investoren und der öffentlichen Hand (Public-Private-Partnership) an, um die Risiken zu minimieren, die entstehenden Kosten aufzuteilen und die Umsetzung voranzutreiben.

Brachflächen, bei denen die Kosten für die Wiedernutzbarmachung den zu erwartenden Ertrag deutlich übersteigen, werden in der Fachwelt als „Reserveflächen“ tituliert. Diese wenig lukrativen Ausgangslagen liegen beispielsweise dann vor, wenn ein Überangebot an Immobilien vorherrscht. Bei diesen Flächen ist eine Entwicklung häufig nur unter Inanspruchnahme von öffentlichen Subventionen rentabel.

Insofern ist die Frage nach der wirtschaftlichen Rentabilität einer Brachfläche einzelfallbezogen und von den örtlichen Gegebenheiten abhängig.

Was sind die Vor- und Nachteile des Flächenrecyclings?

Vorteile und Chancen:

  • Gute Lagequalitäten: Oftmals handelt es sich bei den für ein Flächenrecycling in Frage kommenden Brachflächen um Standorte, die eine gute Lagequalität aufweisen. Die Lagequalität zeichnet sich dabei durch eine gute Zentralität und eine gute verkehrliche Anbindung (Auto, ÖPNV, etc.) aus.

  • Nutzung vorhandener Infrastruktur: Da die Flächen bereits für gewerblich-industrielle Zwecke genutzt wurden, sind sie in der Regel voll erschlossen. Durch die Nutzung der bereits vorhandenen Infrastruktur lassen sich insofern Erschließungskosten sparen.

  • Nutzung vorhandener Gebäude: Je nach Brachfläche ist ein Gebäudebestand vorhanden, der beispielsweise aufgrund der Entstehungszeit ein besonderes Flair aufweist. Dies können ehemalige Betriebsleiterwohnhäuser im Villenstil oder denkmalgeschützte Sheddachhallen sein. Die Gebäude können hinsichtlich einer Markenbildung und unter Marketingaspekten vorteilhaft genutzt werden.

  • Verminderung der Flächenneuinanspruchnahme: Das Recycling von Flächen trägt dazu bei, dass die Flächenneuinanspruchnahme auf der „grünen Wiese“ verringert wird. Damit wird ein Beitrag zum Klima-, Natur- und Ressourcenschutz geleistet.

  • Einsparung ökologischer Ausgleichsmaßnahmen: Da es sich bei den Brachflächen in der Regel um versiegelte Flächen handelt, die eine geringe ökologische Wertigkeit aufweisen, fällt die Verpflichtung zum naturschutzrechtlichen Ausgleich häufig entweder deutlich geringer aus als bei Vorhaben auf der „grünen Wiese“ oder sie entfällt vollständig.

  • Fördermöglichkeiten: Für Maßnahmen des Flächenrecyclings können, insbesondere durch Kommunen, Fördermittel beantragt werden. Dadurch können die Kosten für die Grundstücksaufbereitung (Altlastenbeseitigung, etc.) gesenkt werden. Nähere Informationen zu Fördermöglichkeiten finden Sie hier.

  • Beitrag zur nachhaltigen Stadtentwicklung: Mit dem Flächenrecycling wird ein Beitrag zur nachhaltigen Stadtentwicklung geleistet. Die Aufwertung eines brachgefallenen Standortes trägt in vielen Fällen dazu bei, dass sich das Image eines Standortes bzw. Stadtteils positiv verändert. Gerade innenstadtnahe Flächen sind bei Existenzgründern, die Büroflächen nachfragen, sehr beliebt.

  • Entwicklung zu Gewerbeparks: Eine Vielzahl von ehemals gewerblich-industriellen Grundstücken wird umgenutzt zu Gewerbeparks mit einer bestimmten Ausrichtung und gezielter Adressbildung. Nutzer sind je nach Ausrichtung kleinere Handwerksbetriebe, Dienstleister und Start Ups. Die Flächenaufteilung in den Parks kann flexibel organisiert sein und damit aufgrund einer kleinräumigen Struktur ein zeitnahes Reagieren auf geänderte Flächenbedürfnisse der Nutzer (häufig Mieter) ermöglichen.

Nachteile und Risiken:

  • Altlasten: Bei brachliegenden Flächen besteht das Risiko, dass Altlasten im Boden vorzufinden sind, die es zu beseitigen gilt. Die dann notwendige Grundstücksaufbereitung kann zu einer unerwünschten Kostensteigerung führen.

  • Denkmalschutzauflagen: Sofern auf der Brachfläche ein Gebäudebestand vorzufinden ist, können Auflagen des Denkmalschutzes greifen. Diese gilt es bei der Nutzung der Fläche zu berücksichtigen.

  • Eingeschränkte Nutzungsoptionen: Wegen der Nähe zu zwischenzeitlich im Umfeld entstandenen Wohnnutzungen ist eine Folgenutzung für emittierende Betriebe in der Regel nicht gegeben. Gerade in innenstadtnahen Lagen entspricht die verkehrliche Anbindung des Standortes häufig nicht mehr den Anforderungen an eine moderne Erschließung.

„Business Square“ in Kaarst: Wie setzt die Stadt Kaarst das Flächenrecycling um?

Nachfolgend soll das Thema Flächenrecycling am Beispiel des „Business Square“ der Stadt Kaarst vorgestellt werden.

Der „Business Square“ in Kaarst

Mit dem Umzug der IKEA-Filiale in einen Neubau fiel das ehemalige IKEA-Gelände an der Neersener Straße brach. Aufgrund der guten Lage in einem bereits bestehenden Gewerbegebiet und der guten Erreichbarkeit (ÖPNV, etc.) sollte der brachliegende alte IKEA-Standort in Kaarst „neu gedacht“ und einer neuen Nutzung zugeführt werden. Es wurde das Ziel verfolgt, mit dem „Business Square“ hochwertigen Büroraum zu schaffen.

Die Überlegungen zum Flächenrecycling bzw. zur Reaktivierung dieser Brachfläche erfolgte durch Initiierung der städtischen Wirtschaftsförderung. Dazu wurde das brach gefallene Grundstück von dem Eigentümer IKEA abgekauft. Zuvor führte IKEA alle notwendigen Rückbauarbeiten durch und erstellte ein Bodengutachten. Damit wurde das Grundstück vollständig wiederhergestellt an die städtische Wirtschaftsförderung übergeben.

Die städtebauliche Konzeption des „Business Square“ ist das Ergebnis eines Wettbewerbs mit Bürgerbeteiligung. Die gestalterischen Vorgaben aus dem Gewinnerentwurf sorgen für ein einheitliches Erscheinungsbild. Das städtebauliche Grundgerüst wird durch sich wiederholende, dennoch unterschiedliche Grundstücks- und Gebäudegrößen geprägt. Diese können nach innen individuell gestaltet werden. Für ein attraktives und identitätsstiftendes Umfeld stehen:

  • Prägnanter Eingangsbereich als Kopfbau mit 5 Geschossen, alle weiteren mit 2-4 Geschossen

  • Mäandrierende Gebäudeanordnung

  • Äußere räumliche Marken bilden klare Konturen

  • Individuelle nach innen gerichtete Fassadengesichter

  • Pocketparks für Aufenthalt und eine Optimierung der mikroklimatischen Bedingungen

  • Grüne Anbindung der umliegenden Straßenräume, durch markante Baumpakete und offen gestaltete Eingänge

Drei- bis fünfgeschossige Baukörper entlang einer klaren Straßenachse bieten Raum für die individuelle Nutzung und Ausgestaltung. Um auch Unternehmen mit einem geringen Flächenbedarf die Möglichkeit der Eigentumsbildung zu geben, unterstützt die Wirtschaftsförderung auf Wunsch bei der Bildung von Bauherrengemeinschaften.

Vermarktungs- und Ansiedlungsstrategie des „Business Square“ in Kaarst

Durch Koordination und gezielte Vermarktung soll der Standort zu einem Bürostandort mit hohem Aufenthaltswert entwickelt werden. Dazu hat die städtische Wirtschaftsförderung ein umfassendes Ansiedlungskonzept zum Verkauf der Grundstücke ausgearbeitet und mit der Umsetzung begonnen. Zu der Strategie zählt:

  1. Ansprechender, internationaler Name: Gerade mit Blick auf internationale Investoren wurde das Gebiet unter einen neuen Namen gestellt. Der Name „Business Square“ soll internationale Unternehmen aufmerksam machen und zur Markenbildung beitragen.

  2. Aufbau einer Internetseite: Um das Interesse der Investoren online zu bündeln, wurde eine eigene Webseite für die Vermarktung erstellt. Unter www.square-kaarst.com finden Interessenten alle Informationen zu dem Gewerbegebiet.

  3. Mehrsprachige Exposés und gezielter Versand: Mehrsprachige Exposés unter anderem auf Englisch, Niederländisch und Chinesisch zeigen die Vorzüge der Planung auf und wurden insbesondere an Branchendienste und Fachportale versandt.

Haben auch Sie die Methode des Flächenrecyclings angewendet? Wenn ja, dann melden Sie sich bei uns. Gerne nehmen wir Sie in die Liste der Beispiele auf.